Plattform Industrie 4.0 vor dem Aus

»Deutschland hat die erste Halbzeit verloren«

10. Februar 2015, 9:44 Uhr | Karin Zühlke
Reinhard Clemens, CEO von T-Systems: »Im Wesentlichen haben wir nichts hinbekommen, um uns pragmatisch schnell auf Standards zu einigen. Das IIC kommt pragmatisch voran, dort wird nicht großartig standardisiert, sondern es werden Quasi-Standards gesetzt. Unsere Gründlichkeit könnte zur Bedrohung für uns werden. Am Ende gewinnt vielleicht nicht der Beste, sondern der Schnellste.«
© VDI Wissensforum

Nichts ging voran in Sachen Industrie 4.0. Nun macht Bundeswirtschaftsminister Siegmar Gabriel ernst: Die bisherige Plattform Industrie 4.0, getragen von ZVEI, VDMA und Bitkom, soll in einer neuen Dialogplattform Industrie 4.0 unter der Aufsicht des Wirtschaftsministeriums aufgehen.

Flankierend gründen T-Systems und Fraunhofer eine Initiative, die Industrie 4.0 hierzulande mit De-facto-Standards voranbringen soll.
Die neue Dialogplattform soll genau das forcieren, woran es bislang hakte: den direkten Dialog zwischen den deutschen und europäischen Unternehmen und die breite Umsetzung. So fordert Prof. Michael ten Hompel, TU Dortmund und Institutsleiter des Fraunhofer IML, auf der VDI-Tagung Industrie 4.0: »Die Wirtschaft muss die Dinge selber in die Hand nehmen. Die Revolution fällt nicht vom Himmel, sondern wir müssen sie selber gestalten.«

Außer Gremienarbeit und Maßnahmenempfehlungen gibt es bisher keine konkreten Ergebnisse und kein konzertiertes Vorgehen deutscher Unternehmen in Sachen Industrie 4.0. Die Arbeit der Plattform Industrie 4.0 zeigt keine fruchtbaren Ergebnisse. Im Gegenteil: Deutschland hinkt heute mit seiner einst sehr ehrgeizigen Industrie-4.0-Initiative dem Industrial Internet Consortium (IIC) der USA und Chinas ähnlichen Bestrebungen hinterher und ist momentan eher Zuschauer als Akteur. Dass kürzlich auch Deutschlands Vorzeige-Konzern Siemens der IIC beigetreten ist, ist Wind in den Segeln der US amerikanischen Initiative und zeigt gleichzeitig, dass die Industrie 4.0 hierzulande auf der Stelle tritt.   

»Den ersten Teil des Spiels haben wir verloren, wir müssen uns jetzt in der zweiten Halbzeit besser positionieren«, bringt es Reinhard Clemens, CEO der Telekom Tochter T-Systems, in seiner Key Note auf der Düsseldorfer VDI-Tagung auf den Punkt. Die Tatsache, dass die USA mit dem Industrial Internet Consortium intensiv an Industrie 4.0 arbeitet, bereitet der Bundesregierung zurecht Kopfzerbrechen. »Europa ist Weltspitze im Automobil- und Anlagenbau und hält zwei Drittel Marktanteil im Bereich der Embedded-Systeme weltweit. Wir haben das komplette Know-how – aber was fehlt uns zum Erfolg?«, so Clemens weiter. Und eine Antwort hat der T-Systems-Chef auf seine Frage auch gleich parat: »Im Wesentlichen haben wir nichts hinbekommen, um uns pragmatisch schnell auf Standards zu einigen. Das IIC kommt pragmatisch voran, dort wird nicht großartig standardisiert, sondern es werden Quasi-Standards gesetzt. Wir müssen aufpassen, dass wir hier gegen den Pragmatismus der Amerikaner nicht verlieren. Unsere Gründlichkeit könnte zur Bedrohung für uns werden. Am Ende gewinnt vielleicht nicht der Beste, sondern der Schnellste.«

Die großen Unternehmen in Deutschland und Europa müssen sich zusammensetzen, so seine Forderung, und sich auf einen Quasi-Standard einigen, um am Ende zu einer Plattform zu kommen, »weil wir ohne die Plattform nicht in der Lage sein werden, Reichweite zu generieren.« Die wiederum sei aber nötig, um De-facto-Standards zu setzen, die sich nur über große Nutzerzahlen etablieren. Als Beispiel nennt Clemens die Aktivitäten von Google und Amazon.    

 


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  2. T-Systems nimmt das Heft in die Hand

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